Tag 6: Von der Schwäbischen Alb ins Neckartal. Down, down we go

Der Mensch ist ja glücklicherweise lernfähig. Wir haben gestern gelernt, dass Regenkleidung besser wirkt, wenn man sie anzieht und nicht nur in der Satteltasche mit sich herum trägt. Wer hätte das gedacht?!

Beim ersten Regentropfen nach etwas mehr als einem Kilometer vom Startpunkt in Dapfen haben wir uns also umgezogen. Das war auch deshalb sehr angenehm, weil es oben auf der Alb auch kühl war nach dem Regen. Ausserdem war die geplante Strecke bis Tübingen dadurch gekennzeichnet, dass sie von der Schwäbischen Alb aus überwiegend bergab verlief. Und das teilweise steil. Da war die Regenkleidung auch als Windschutz nützlich.

Dieses Mal in voller Regenmontur

… Radweg mal ohne Sonnenschein

Der Radweg führt gut ausgeschildert durch das Lautertal und war auch ohne Sonnenschein schön. Bei besserem Wetter muss es wunderschön sein. Während des Vormittags sah man den Dunst des Regens vom Vortag in Schwaden aus den Wäldern aufsteigen. Es dauerte bis in den Nachmittag, bis Sicht und Wege weitgehend klar waren.

Nebelschwaden im Lautertal

Richtung Reutlingen kann man dann seine Bremsen testen. 9% Gefälle hat man auch nicht überall auf Fahrradwegen.

9% Gefälle – runter geht’s ins Neckartal

Es ging lang bergab – wieder einmal auf einem Weg der ausschliesslich für Fahrräder frei ist und damit so sicher wie man es sich auf einem Rad nur wünschen kann. Die Ausschilderung könnt Ihr hier bewundern – und das meine ich ganz ernst. Solche Ausschilderungen sind grossartig, wenn man mal nicht mit gutem Kartenmaterial unterwegs ist. An jeder Abbiegung standen weitere Wegweiser und halfen bei der Orientierung – ein Traum! Während der Abfahrt durften wir auf unserer linken Seite dieses Schloss bewundern – okay, vorher haben wir dann doch kurz angehalten…

Weiter und immer weiter ging es auf dem Weg ins Neckartal, auf schönen Wegen – aber begleitet auch von abweisenden Gesichtern anderer Radfahrer oder Spaziergänger. Wir haben schon lange die unbewiesene Theorie, dass die Menschen besser gelaunt sind, wo Wein angebaut wird. Mit unserer selektiven Wahrnehmung wird es uns in den Weinbaugebieten bestimmt wieder so vorkommen, als stimme das. Und während wir weiter leicht bergab vor uns hinrollten, kam uns ein Jogger mit Kinderwagen entgegen und deutete mit Gesten an, dass er uns gerne etwas fragen möchte. Wir hielten und sahen, dass sein vermeindlicher Kinderwagen beklebt und voller Campngutensilien war. Und auf den Aufklebern stand: “France – India“. Er wollte sich versichern, dass er nach Münsingen auf dem richtigen Weg war und wir kamen kurz ins Gespräch. Er plant 250 Tage ein – und sein Lächeln begleitet uns für den ganzen restlichen Tag!

Joggend von Frankreich nach Indien – mit breitem Lächeln!

Als wir auf einer kleinen Anhöhe knapp einem Auto ausweichen konnten sahen wir die Berge, über die wir einen Tag zuvor gekommen sind. Manchmal ist es gut, wenn man vorher nicht so genau weiss, wie die Landschaft aussieht. Das würde einen ab und zu nur entmutigen.

Blick auf die Schwäbsche Alb, kurz vor Tübingen

Die letzten Kilometer nach Tübingen hinein waren wenig schön zum fahren, aber etwas, das beim Erreichen von Städten oft vorkommt. Plötzlich verläuft der Fahrradweg neben der Bundesstrasse mit viel Verkehr. Es ist laut, irgendwie unruhig und unangenehm – quasi eine Transitstrecke um die man nicht herum kommt, wenn man ankommen möchte. Man nimmt sie hin, aber man möchte sie nicht wiederholen. Und so war es hier auch – selbst die Ausschilderung wurde immer schlechter. Und dann fuhren wir ein in Tübingen. In ein sehr, sehr, sehr volles Tübingen…

Wir hatten bereits im Vorfeld vergeblich versucht ein Zimmer zu finden, das für uns preislich akzeptabel war. Da aber die Hotelportale oft auch eine Schein-Knappheit an Zimmern darstellen sind wir auf direktem weg zur Touristeninformation geradelt. Schnell reingesprungen in der Absicht, mit einem gebuchten Zimmer wieder heraus zu kommen um das Wochenende in Tübingen zu verbringen. Die freundliche Dame konnte mit allerdings nur von einem Zimmer für 147 Euro/Nacht berichten, das frei wäre und drückte mir ein Heftchen mit Gästezimmern in die Hand mit dem Hinweis, ich könnte es ja mal telefonisch bei diesen Adressen versuchen. Vielleicht hätte ich ja Glück… vielleicht aber auch nicht. Es wäre nämlich wahnsinnig voll und keiner wisse warum.

Das war uns bisher noch nicht passiert – man ist am Zielort und kein Zimmer weit und breit. Wir sind dann kurz schiebend durch die Stadt gezogen und abgeschreckt von der wuseligen Menschenmenge wieder rauf auf die Räder und Richtung Stuttgart und Nürtingen weiter gefahren. Mit der Hoffnung, dass sich schon was findet früher oder später. Und einen Plan B hatten wir auch schon: Wenn wir bis Nürtingen (ca. 26km von Tübingen) nichts finden, dann setzen wir uns in den Zug nach Stuttgart wo es mit Sicherheit etwas gibt… vielleicht…

Zusatzstrecke Tübingen – Nürtingen

Auf dem Weg nach Nürtingen sahen wir auf einer Anhöhe eine hübsche Kleinstadt und dachten, dass es bei der Grösse bestimmt ein Gasthaus oder Pension gibt und sind so stramm bergauf gefahren (siehe den kleinen Wurmfortsatz auf der Karte oben – das war der Bergausflug). Nur um zu merken, dass selbst die einzige Gaststätte geschlossen ist und ausser einer einzigen Katze niemand auf der Strasse zu sehen war. Wieder was gelernt: Bevor man den Berg hinauf radelt sollte man sicher wissen, dass es oben das gibt, was man braucht…!

Also wieder runter und weiter nach Nürtingen. Als wir am Neckar entlang fuhren waren wir erstaunt, dass dieser weniger sauber aussieht und riecht als die Flüsse, denen wir zuvor gefolgt sind.

Neckar bei Nürtingen

Kurz vor Nürtingen

Kurz vor Nürtingen sahen wir dann einen Auskunftstafel der Stadt mit hilfreichen Informationen – unter anderem mit Hoteladressen und Rufnummern. Und wir hatten Glück und bekamen ein schönes Zimmer. Jetzt heisst es ein wenig erholen und sich darauf freuen, dass es Montag weiter geht!